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Elisabeth Fuchs im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Unser aktueller Mensch des Monats ist Elisabeth Fuchs, Chefdirigentin und Gründerin der Philharmonie Salzburg. Sie arbeitete über Jahre mit den Stuttgarter Philharmonikern, dem Zagreb Philharmonic Orchestra, dem Helsingborg Symphony Orchestra und dem Brussels Philharmonic Orchestra zusammen. Ein großes Anliegen ist ihr die partizipative Musikvermittlung sowie die Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche. Fotos: Erika Mayer

 

Liebe Elisabeth Fuchs, ich möchte in dieser Rubrik jedem:r Interviewpartner:in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich oder auch kulturell engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Der Grundstein für mein leidenschaftliches musikalisches Wirken wurde in der Oberstufe (ab der 9. Schulstufe) des Musikgymnasiums Linz gelegt. Mit 14 Jahren durfte ich in London unter der Leitung von Franz Welser-Möst Bachs Matthäuspassion singen, das war sozusagen „ehrenamtlich“ und der Start für langjähriges unentgeltliches Musizieren auf professionellem Niveau. Ich habe den Klassenchor geleitet, der unter anderem für Amnesty International Open-Air-Konzerte gab, gründete später im Schulmusikstudium ein Salonorchester mit, mit dem ich einige Konzerte geben durfte – auch ehrenamtlich. Und schließlich gründete ich 1998 mit 22 Jahren die Philharmonie Salzburg, die ich weitere 15 Jahre ebenso ohne Bezahlung dirigiert und geleitet habe. Dieses Engagement für „meine“ Philharmonie Salzburg mündete schließlich in einer Anstellung. Für Dirigate werde ich mittlerweile meistens bezahlt, wobei ich auch immer mal wieder ohne Entlohnung dirigiere. Im Fokus steht und stand immer die Leidenschaft für das Tun, die Berufung, der Sinn. Nicht das Geld.


Was hat Dich zur Philharmonie Salzburg gebracht? Was ist das Besondere für Dich an der Philharmonie Salzburg?


Als ich mit 22 Jahren die Aufnahmeprüfung für das Dirigierstudium bestand, sagte mein damaliger Lehrer Balduin Sulzer: „Ein Dirigent ohne Orchester ist wie ein Geiger ohne Geige“. Daraufhin habe ich mein eigenes Orchester gegründet. Das Besondere an der Philharmonie Salzburg ist, dass sie für mich wie eine Familie ist. Sie hat sich außerdem von einem Studierendenorchester mit zwei Konzerten pro Jahr zu einem professionellen Orchester mit 150 Konzerten pro Jahr entwickelt. Das finde ich bemerkenswert.


Wie schaut eine Arbeitswoche von Dir aus?


Ich arbeite ungefähr 40-80 Stunden die Woche, wobei sich das für mich selten wie Arbeit anfühlt. Ein Wochenende gibt es so nicht, und die Wochen laufen auch nie gleich ab, sondern gestalten sich je nach den jeweiligen Projekten, Proben und Konzerten. Für die Vorbereitungszeit und die Proben- und Konzertzeit muss man pro Woche circa 10-40 Stunden rechnen. Dazu kommt noch die Zeit, die ich im Büro verbringe: Auf 20-50 Stunden kommt die Arbeit in den Bereichen Administration, Betriebsproduktion, Finanzen, Akquise, Marketing und Sponsoring. Ich leite nicht nur ein Orchester, sondern auch ein Team hinter der Bühne, das die gesamte Organisation übernimmt.


Welche Themen beschäftigen Dich in diesem Jahr und was kommt 2025 auf Dich zu?

 

Groß gedacht beschäftigen mich der Weltfrieden, der Klimawandel und der Rechtsrutsch, den man nahezu überall beobachten kann.

 

Im kleineren Bereich beschäftige ich mich damit, Gelder zu akquirieren für eine bessere Bezahlung der Musiker:innen. Daneben darf ich mir Programme überlegen und darüber nachdenken, wie wir die Live-Musik zu den Menschen bringen und damit die Menschen berühren und so Musik als verbindende Kraft wirken lassen. All diese Gedanken sind getragen von der Idee der göttlichen Musik, die uns Menschen so guttut und so wichtig ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für die Entwicklung der jungen Generation.

 

Ein besonderes Highlight ist 2025, dass wir nach 25 Jahren ein eigenes Probehaus bekommen. In diesem werden die Philharmonie Salzburg mit bis zu 120 Musiker:innen, der Chor der Philharmonie Salzburg und die Kinder- und Jugendphilharmonie mit bis zu 80 Kids und Teens proben. Wir freuen uns sehr über diesen großen Schritt!

 

Wie wichtig sind für Dich Kooperationen und Netzwerke?


Sehr wichtig. Die Basis von allem ist das Team: Egal, ob im Orchester, im Büro, aber auch in Partnerschaften. Sei dies im Marketing, in der Kommunikation, im Sponsoring, im Mäzenatentum oder bei Konzertpartner:innen. Gemeinsames Schaffen und Wirken ist für mich ein großer Bestandteil unseres Erfolges.


Vor welchen Herausforderungen steht der Kultursektor in Österreich aktuell? Welche Lösungen wünschst Du Dir?


Ich sehe eine große Herausforderung bei der Digitalisierung und zwar in allen Bereichen. Neben vielen Vorteilen geht damit der Verlust der persönlichen Kommunikation und der direkten Wahrnehmung der Umwelt einher.

 

Wenn wir nicht mehr wahrnehmen – die Umwelt, andere Menschen oder auch die Musik – folgt eine Desensibilisierung. Im Mittelalter hat ein Bauer in seinem gesamten Leben so viel Information und Input erhalten wie wir heutzutage an einem Tag. Das kann schon überfordern und macht gleichzeitig stumpf.

Eine Lösung wäre natürlich, den Gebrauch digitaler Geräte für Kinder und junge Menschen zu regulieren. Wie auch das Rauchen oder Drogen reguliert werden beziehungsweise verboten sind, denke ich, dass wir nicht daran vorbeikommen, den Zugriff auf Social Media, Computerspiele etc. für Kinder bis zum Alter von zehn Jahren zukünftig zumindest einzuschränken.

 

Eine weitere Herausforderung sehe ich bei der schwindenden Wertschätzung der musikalischen Bildung und der schwindenden Popularität der klassischen Musik an sich. Eine Lösung wäre, dem Musikunterricht vonseiten der Politik eine größere Würdigung entgegenzubringen. Der humanistische Ansatz schwindet, und das hat dramatische Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Wir bewegen uns im Schnellexpress auf eine Wand zu. Musik ist mehr als Unterhaltung, sie bringt Menschen zusammen, beim Musizieren bilden sich Synapsen im Gehirn, die für das soziale Lernen und die emotionale Intelligenz unabdinglich sind. Meiner Meinung nach fehlt der Weitblick im Setzen der Rahmenbedingungen, um diese Qualität von Musik allen Menschen nahezubringen und anzubieten.

 

Und zum Schluss: Drei Fragen, drei Antworten - in einem Satz!


Welches Buch hast Du bezüglich Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

„Die weiße Rose“ über das Engagement und die Zivilcourage der Geschwister Sophie und Hans Scholl hat mich sehr beeindruckt. Unter Einsatz ihres Lebens haben sie sich für Gerechtigkeit und Wahrheit eingesetzt. Für Hans Scholl gab es ohne Wahrheit kein Glück; diese Sicht inspiriert mich sehr. Durch ihre humanistische und katholische Erziehung haben sich die Geschwister ein besonderes Wertekorsett angeeignet, dem die Wahrung eines reinen Gewissens und der Tugenden zugrunde liegt. Als ich dieses Buch mit 12 Jahren gelesen habe, war ich sehr berührt und bin es seitdem nach wie vor.

 

Wenn Du einen Wunsch für den Kultursektor in Österreich frei hättest, welcher wäre das?

Ich würde mir wünschen, dass alle erkennen, wie wichtig Kultur für uns Menschen ist. Kunst und Kultur sind „systemrelevant“, denn die Kultur macht den Menschen aus und kulturelle Bildung stärkt unsere Menschlichkeit.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Unser aller Aufgabe ist es, unsere Berufung und unseren individuellen Sinn zu finden. Und das dann zu leben. In weiterer Folge können wir anderen Menschen helfen, sie inspirieren und Rahmenbedingungen für die Entfaltung der jungen Generation schaffen.

 
Carola von Peinen

Elisabeth Fuchs

Chefdirigentin und Künstlerische Leitung

PHILHARMONIE SALZBURG

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