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Günther Lutschinger im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und aktuell als Leitung Fundraising der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Dr. Günther Lutschinger führt seit 2007 als Geschäftsführer den Fundraising Verband Austria. Der studierte Biologe begann seine NPO-Karriere als Projektleiter beim WWF Österreich, wo er über mehrere Stationen Geschäftsführer des Umweltverbands in Österreich wurde.


 

Lieber Herr Lutschinger, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo haben Sie sich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kam es dazu und was war Ihre Motivation dahinter?


Seit meiner frühen Kindheit habe ich gerne und oft Zeit in der Natur verbracht. Ihre Vielfalt und ihr Artenreichtum haben mich schon immer fasziniert. Dementsprechend war es naheliegend, mich bei der Naturjugendorganisation für ihren Schutz zu engagieren. Die Liebe zur Natur ist bis heute geblieben ebenso wie der Einsatz für den Umweltschutz.

Ich war aber auch in jungen Jahren schon ein ausgesprochen politischer Mensch und überzeugt von der Kraft zur Veränderung durch gelebte Demokratie. In diesem Sinne war ich auch bei Amnesty International aktiv.


Sie sind seit vielen Jahren im gemeinnützigen Bereich tätig und engagieren sich zusätzlich zum FVA breit gefächert. Welche Themen waren und sind Ihnen dabei wichtig?


Im Laufe der Jahre haben sich mein ehrenamtliches Engagement ebenso wie meine Interessen auf immer mehr gemeinnützige Themenfelder ausgedehnt. Bestimmte Präferenzen gibt es für mich nicht, alle gemeinnützigen Wirkungsbereiche sind unverzichtbar. Zentral ist aber, dass aus dieser Vielfalt mit der Zeit ein großes Netzwerk an engagierten Menschen, Wegbereitern und Wegbegleitern innerhalb des Dritten Sektors entstanden ist, Menschen mit denen Ideen für neue Projekte und gemeinsame Initiativen zur Stärkung des Sektors entwickelt wurden.


Wie hat ehrenamtliches Engagement Ihrem beruflichen Werdegang geholfen? Von welchen Netzwerken profitieren Sie noch heute?


All die Berührungspunkte innerhalb des Sektors haben mich schon früh zu der Überzeugung gebracht, dass es höchst sinnvoll und notwendig ist, Kooperationen einzugehen. Dadurch kann letztlich wesentlich mehr Wirkung entfaltet werden. Jede Organisation – mit ihren Mitarbeiter*innen und freiwilligen Helfer*innen – kann vom regelmäßigen Austausch mit anderen profitieren, was Strukturen, Kompetenzbildung und die Professionalisierung insgesamt anbelangt. Das war auch schon der Hintergrund als während meiner Zeit als WWF Projektleiter für Osteuropa erste Dachverbände, wie das ÖKOBÜRO, initiiert wurden. Durch starke Plattformen, Netzwerke und gemeinsame Projekte können zivilgesellschaftliche Entwicklungen einfach besser vorangetrieben werden – das ist das Erfolgsrezept des FVA. Man muss als einzelne NPO nicht alles selbst machen, den Kampf für seine Mission alleine führen. Vielfach können Ressourcen gemeinsam besser und effizienter genutzt werden. So auch bei der gemeinnützigen Lotterie „Das gute Los“, die gemeinsam veranstaltet wird. Das hält Verwaltungskosten und Abgaben minimal und erlaubt es, maximalen Gewinn für die Projekte zu erwirken. Heute erzielt die Lotterie rund 1,8 Mio. Euro jährlich.


Was ist für Sie als Führungskraft ein Erfolgsrezept?


Ein Zitat eines Journalisten, das ich vor Jahren aufgeschnappt habe, ist bei mir hängen geblieben und hat auch mein Handeln als Geschäftsführer ein Stück weit geleitet: „Wenn man erfolgreich sein will, muss man loslassen können.“

Der FVA lebt davon, dass gemeinsam mit den Mitgliedern permanent Ideen für neue Initiativen zur Stärkung des Sektors heranreifen. Viele solcher Gemeinschaftsprojekte laufen seit vielen Jahren erfolgreich. Bildungs- und Vernetzungsangebote gibt es im Verband für so gut wie für alle Fachbereiche der Spendenakquise und überall steckt viel Arbeit und Herzblut unseres Teams dahinter. Aber als Geschäftsführer muss man eben bei bestimmten Programmen auch loslassen können, wenn diese nicht oder nicht mehr wie gewünscht funktionieren.


Was beschäftigt Sie zurzeit im Fundraising- bzw. gemeinnützigen Bereich?


Neben den aktuellen Herausforderungen rund um die Teuerungswelle, die einen Spendenrückgang quer durch alle gemeinnützigen Bereiche mit sich gebracht hat, ist das Thema Philanthropie derzeit zentral. Ich bin selbst Vorsitzender einer gemeinnützig aktiven Stiftung und zugleich im Vorstand des Verbands für gemeinnütziges Stiften. Deshalb ist mir bewusst, welch großes Potential im Spenden und Stiften Vermögender ruht. Während in Deutschland rund 50% aller Spenden von der Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Einkommen stammen, sind es in Österreich ca. 5%. Der Grund dafür: In Österreich fehlt eine starke Stiftungsszene bislang noch, es fehlen passende Engagementangebote für Vermögende und es mangelt an steuerrechtlich förderlichen Rahmenbedingungen. Insgesamt ist ein Bildungsansatz über die Wirkung von Gemeinnützigkeit in und für die Gesellschaft nötig. Es braucht mehr Reflexion, was unsere Rolle in der Gesellschaft ist und was individuell beigetragen werden kann.

Unsere neue „Initiative Philanthropie“ ist dementsprechend der Versuch, eine Brücke zwischen Vermögenden und dem gemeinnützigen Sektor zu bauen. Dabei geht es nicht darum, Spendenerlöse in bestimmter Höhe anzuregen, sondern den Wirkungsgedanken hinter dem Engagement zu verbreiten. All diese Aspekte sind auch Teil unserer Forderungen bei der aktuellen Ausarbeitung des neuen Gemeinnützigkeitspakets durch die österreichische Bundesregierung.


Was kann Deutschland zum Thema Nachlassfundraising von der FVA-Kampagne „Vergissmeinnicht“ lernen?


„Vergissmeinnicht“ ist eine Erfolgsgeschichte. 2012 mit 28 Mitgliedern gegründet, zählt die Initiative heute über 100 Organisationen, die für ethisches Nachlassfundraising stehen und dem Informationsbedarf in der Gesellschaft gemeinsam nachgehen. Mit einem breiten Serviceangebot über Erbrecht und die Option der Testamentsspende konnten in den vergangenen zehn Jahren tausende Menschen darüber aufgeklärt werden, wie wichtig es ist, den Nachlass zu regeln. Das Interesse der Menschen an der Möglichkeit eines Vermächtnisses für den guten Zweck hat sich in der Zeit verdoppelt.

Vor allem ist es uns durch die gemeinsame öffentliche Auseinandersetzung gelungen, die Themen Tod und Testament in der Bevölkerung zu enttabuisieren.

 

Und zum Schluss – 3 Fragen in je einem Satz:


Welches Buch haben Sie bzgl. Ehrenamt/Engagement oder auch den Feldern, in denen Sie sich engagieren, gelesen, das Sie nachhaltig beeindruckt hat?

Das neuaufgelegte Buch von Ilse Bosch „Besser spenden!“ hat mich sehr beeindruckt. Mit ihrer klaren Sprache und praktischen Leitfäden trägt die Autorin absolut zu einer neuen, erfolgreicheren „Kultur des Gebens“ bei.

Jede*r, die/der sich engagieren will, sollte dieses – im deutschsprachigen Raum nach wie vor einmalige Buch – im Regal haben.


Wenn Sie einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hätten, welcher wäre das?

In Österreich die uneingeschränkte Spendenabsetzbarkeit für alle NPO-Bereiche – von der humanitären Hilfe über den Tierschutz bis hin zur Förderung der Bildung. Das würde seitens des Gesetzgebers endlich gleiche Bedingungen für den gesamten Dritten Sektor schaffen.


Was möchten Sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Ihr Credo?

Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner hat einmal geschrieben: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ So einfach ist es!

 
Carola von Peinen

Günther Lutschinger

Geschäftsführer

Fundraising Verband Austria

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