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Millicent Adjei im Gespräch mit Dr. Anna Punke-Dresen

Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?

Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.


Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.


Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.

Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?

 
Carola von Peinen

Millicent Adjei ist Sozialökonomin (B.A.), ausgebildete Steuerfachangestellte und Coachin für Kinderpädagogik. Sie ist Vorsitzende des Vereins Arca - Afrikanisches Bildungszentrum. Ziel des Vereins ist es, Geschichten aus schwarzer, afrikanischer und afro-diasporischer Perspektive zu präsentieren. Der Verein beschäftigt sich mit Empowerment und führt politische und kulturelle Veranstaltungen durch.

 

Liebe Millicent, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo hast Du Dich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamst Du dazu und was war Deine Motivation dahinter?


Eine Freundin erzählte mir von einer Veranstaltung, die einmal im Jahr stattfindet und von Schwarzen Menschen für die Black Communities organisiert wird. Sie fragte mich, ob ich mitkommen möchte, denn an den Sonntagen ist es nochmal besonders: da kamen viele Familien und Freunde zusammen, tauschten sich aus, aßen und genossen Live-Musik. Jedes Wochenende hatte ein bestimmtes Motto. Vor Ort habe ich einige der Organisatoren kennengelernt und gefragt, wie man mitmachen kann. Dabei erfuhr ich, dass es sich um den Black Stories Month handelt und Ehrenamtliche herzlich willkommen sind. So fing meine Community Arbeit an. Für einige Jahre durfte ich den Black Stories Month mitorganisieren, lernte dabei den Verein ISD, Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, kennen. Auch dafür durfte ich ein Bundestreffen in Hamburg mitorganisieren. Gleichgesinnten Menschen zu begegnen, die sich für Anti-Schwarzen Rassismus engagieren, um ein besseres Morgen für Schwarze Menschen zu ermöglichen, motivierte mich sehr, um weiter zu machen und auch einen Verein mitzugründen.


Du bist über dein politisches Engagement u.a. zur Gründung von ARCA e.V. gekommen. Erzählst Du uns kurz, wie und wo Du Dich politisch engagierst?


Ich habe durch mein Engagement den ehemaligen Dachverband EWNW, Eine Welt Netzwerk, kennengelernt und bekam einen Auftrag, einen Fachtag für migrantische Vereine mit zu organisieren. Sie unterstützten mich auch mit der Gründung (rechtliche Gegebenheiten) von ARCA e. V. Mein politisches Engagement weitete sich nach Gründung des Vereins aus. Einige Vernetzungen und Mitarbeit kamen unter anderem mit dem Arbeitskreis Hamburg Postkolonial, EOTO e. V., Initiativen in Berlin, AKONDA Eine-Welt-Café, Phoenix e. V., AK Panafrikanismus München, Afrika Rat, ADEFRA e. V. Schwarze Frauen in Deutschland ist ein kulturpolitisches Forum von und für Schwarze Frauen etc. Aktuell engagiere mich aktiv beim Arbeitskreis Hamburg Postkolonial und ARCA e. V.


Der ARCA e.V. setzt sich für das Empowerment Schwarzer Menschen, insbesondere Frauen ein, dazu gehören laut Eurer Webseite Schwarz-afrikanische, afrodeutsche und afrodiasporische Perspektiven. Wie packt der Verein das an? Welche Projekte und Netzwerke habt ihr?


Wir schreiben Schwarz immer groß, denn es geht nicht um die Hautfarbe, hier ist eine gute Erklärung dazu: „Der Begriff Schwarz wird oft als Selbstbezeichnung von Menschen afrikanischer und afro-diasporischer Herkunft, Schwarzen Menschen, Menschen dunkler Hautfarbe und people of colo(u)r gewählt. Das großgeschriebene „S“ wird bewusst gesetzt, um eine sozio-politische Positionierung in einer mehrheitlich weiß dominierten Gesellschaftsordnung zu markieren und gilt als Symbol einer "emanzipatorischen Widerständigkeitspraxis“

 

Wir haben diverse Veranstaltungen in Form von politischen Gesprächsrunden, Lesungen, Workshops, Ausstellungen und Poesie durchgeführt. Wir haben zusätzlich zu diesen Veranstaltungen die Schwarze Autor*innen Präsenz Bibliothek ins Leben gerufen, die alle interessierte Menschen zum Lernen aus Schwarzen Perspektive einlädt. Die Bibliothek ist fünf Tage in der Woche geöffnet und lädt zum Lesen aus der Schwarzen Perspektive ein.

 

Seit 2020 konnten wir für Jugendliche, insbesondere Schwarze Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren, ein Sommerferien-Programm zur afrikanischen Kalligraphie anbieten.

 

Was habt ihr seit der Gründung geschafft und welche Ziele habt ihr für die nächsten Jahre?


Wir haben es geschafft nicht aufzugeben und unsere Vision gelebt. Wir haben es geschafft, die Fasiathek zu eröffnen und haben seitdem unsere eigenen Räumlichkeiten.

 

Unser Ziel ist es, uns als Organisation zu professionalisieren, das heißt erstens genug Spenden oder Förderung zu haben, damit wir eine Person einstellen können. Zweitens unsere Öffentlichkeitsarbeit gut durchführen, um mehr Sichtbarkeit zu schaffen und bekannter zu sein. Drittens genug Geld, um Bücher in afrikanischen Sprachen für die Fasiathek zu kaufen.

Zusätzlich möchten wir mit Schulen und Kindergärten zu den Themen Empowerment und Anti-Schwarzer Rassismus Sensibilisierung kooperieren bzw. arbeiten.

 

Was sind für Dich die dringendsten Doings bzgl. der Integration und Partizipation nicht-weißer Menschen? Wie kann Empowerment und Selbstwirksamkeit unterstützt werden und gelingen?


Ich rede von Partizipation und nicht von Integration. Denn Integration heißt in den meisten Fällen Assimilation. Partizipation nicht-weißer Menschen erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene. Einige Punkte sind bestimmt auf der einen oder anderen Ebene politisch initiiert worden, aber noch nicht komplett gelebt.

Dies sind einige dringliche Doings, die dazu beitragen können:

 

-       Förderung von Bildungsprogrammen, die eine umfassende Sichtweise auf kulturelle Vielfalt fördern.

-       Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede und die Auswirkungen von Vorurteilen, Rassismus und weitere Diskriminierungen.

-       Förderung von diversen Perspektiven und Geschichten in Bildungsmaterialien. Rassistische Reproduktionen in Bildungsmaterialien müssen auf allen Ebenen aufhören.

-       Implementierung von Maßnahmen zur Diversität in Unternehmen und Institutionen, z. B. durch Einführung von Quoten.

-       Schaffung von inklusiven und intersektionalen Arbeitsumgebungen, die die Diversität der Mitarbeiter respektieren und schätzen.

-       Mitarbeitende in Institutionen benötigen Fortbildungen bzgl. Schaffung von positiver, respektvoller und wertschätzender Kommunikation.

-       Bereitstellung von Ressourcen, um nicht-weiße Gemeinschaften zu stärken, sei es durch finanzielle Unterstützung, Zugang zu Weiterbildung oder beruflichen Möglichkeiten.

-       Bürokratieabbau bei Anerkennung von mitgebrachten Abschlüssen. Dabei ist zu prüfen, wer die Kriterien oder Rahmenbedingungen für die Anerkennung festgelegt hat und ob das noch zeitgemäß ist.

-       Transparenz und power sharing

-       Ratifizierte UN Resolutionen, Vereinbarungen transparent machen, mit den Bürger*innen kommunizieren z. B. UN Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft von 2015 – 2024.

-       Förderung der aktiven Teilnahme nicht-weißer Menschen in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungsprozessen.

-       Ermutigung zur Repräsentation in Medien, Politik und anderen Schlüsselbereichen der Gesellschaft.

-       Unterstützung von Initiativen und Projekten in nicht-weißen Gemeinschaften, um lokal relevante Probleme anzugehen und positive Veränderungen zu fördern.

-       Förderung und Durchsetzung von Gesetzen, die Diskriminierung und Rassismus bekämpfen. Das heißt, betroffene Menschen in diesen Ebenen einbinden und Sensibilisierung schaffen.

-       Überprüfung bestehender Gesetze, um sicherzustellen, dass sie gerecht und inklusiv sind. Auch hier sind betroffene einzusetzen bzw. zu beauftragen.

-       Bereitstellung von psychologischer Unterstützung und Ressourcen von nicht-weißen Organisationen, um mit den Herausforderungen von Diskriminierung und Rassismus umzugehen.

 

Die genannten Doings sollten nicht als isolierte Schritte betrachtet werden, sondern als Teil eines umfassenden Ansatzes, der darauf abzielt, strukturelle Barrieren bzw. Ausschlüsse abzubauen und eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Empowerment und Selbstwirksamkeit können nur dann erfolgreich gefördert werden, wenn diese Doings koordiniert und nachhaltig implementiert werden. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit und Kommunikation mit den betroffenen Gruppen, natürlich gegen Entgelt, sind entscheidend, um effektive Strategien zur Partizipation zu entwickeln.

 

Die Themen Diversity und Chancengleichheit sind Dir sehr wichtig. Wie beobachtest Du das Thema und die Auseinandersetzung damit im gemeinnützigen Bereich? Wie kann der gemeinnützige Bereich dabei unterstützen?


Hier möchte ich gerne das Thema power sharing als Ansatz aufgreifen und einige Punkte dazu nennen.

Weiße gemeinnützige Organisationen sollten regelmäßig ihre eigenen Strukturen, Praktiken und Programme auf Diversity und Inklusion überprüfen. Denn eine ehrliche Selbstreflexion ermöglicht Schwachstellen zu erkennen und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen.

Sowohl auf Vorstandsebene als auch in Führungspositionen sollten gemeinnützige Organisationen auf eine vielfältige Repräsentation achten, um unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen einzubeziehen.

 

Die Repräsentation in der Organisation sollte die Diversität der Gemeinschaften widerspiegeln, die die Organisation bedient.

Weiße Organisationen können sicherstellen, dass ihre Ressourcen gerecht verteilt werden, indem sie diese mit nicht-weißen Organisationen teilen. Wenn noch keine Zusammenarbeit gegeben ist, sollten weiße Organisationen mit anderen nicht-weißen Organisationen, insbesondere solchen, die sich auf Diversität und Chancengleichheit konzentrieren, zusammenarbeiten, um voneinander zu lernen und Ressourcen zu teilen.Fortlaufende Schulungen können das Bewusstsein für Diversität, Chancengleichheit und Inklusion stärken. Durch zur Verfügung gestellte Gelder bzw. Ressourcen an nicht-weiße Organisationen können diese geeignete Bildungsprogramme entwickeln ,die dazu beitragen Chancenungleichheit zu reduzieren und den Zugang zu Bildung zu verbessern.

Diese Bemühungen sollten kontinuierlich sein, um positive Veränderungen zu bewirken und eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.

 

Und zum Schluss: Drei Antworten in je einem Satz!


Welches Buch hast Du bzgl. Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Dich nachhaltig beeindruckt hat?

Es sind mehrere Bücher, aber diese drei Bücher möchte ich nennen: Schwarzer Feminismus v. Dr. Natascha A Kelly, Teaching Critical Thinking v. Bell Hooks und Spirit Hacking v. Shaman Durek


Wenn Du einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hättest, welcher wäre das?

Mein Wunsch für den gemeinnützigen Sektor wäre, dass alle Organisationen in diesem Bereich die Ressourcen, Unterstützung und Inspiration finden, die sie benötigen, um ihre Visionen erfolgreich zu erfüllen. Dabei sind alle Mitarbeitende in den Organisationen Rassismus und Diskriminierung sensibilisiert.


Was möchtest Du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Dein Credo?

Ich bin dafür, dass wir alle achtsam und respektvoll miteinander umgehen. Jede Person ist aufgefordert sich weiterzubilden und dabei neugierig zu sein, so wie es kleine Kinder sind. Wenn Zeit und Lust vorhanden ist sich ehrenamtlich zu engagieren, dann kann jede Person seine Ressourcen einer nicht-weißen Organisation, die einem gefällt, zur Verfügung stellen.

Leben und leben lassen ist mein Credo!

 
Carola von Peinen

Millicent Adjei

Gründerin & Vorsitzende

Arca - Afrikanisches Bildungszentrum e. V.

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