Wer steckt hinter dieser neuen Rubrik und was möchte sie für einen Mehrwert bieten?
Portraits über Menschen im gemeinnützigen Bereich findet man auch an anderer Stelle. Wir erinnern uns zum Beispiel an die „Köpfe“ in der Stiftungsbeilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. Mit dieser Rubrik „Mensch des Monats“ möchten wir Menschen hinter einer Führungsposition besser kennenlernen. Dafür hat Dr. Anna Punke-Dresen diese Rubrik ins Leben gerufen.
Anna Punke-Dresen ist selbst seit über 15 Jahren in diversen Funktionen und Kontexten sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich im gemeinnützigen Sektor unterwegs - unter anderem als stellvertretende Leiterin des Kreises Junge Menschen und Stiftungen, Community Lead für MentorMe, Vorständin von Hamburger mit Herz e.V. und seit 2023 Leitung Fundraising der Abteilung Engagement & Partnerschaften bei der Hamburger Kunsthalle in Doppelspitze.
Schreiben und gemeinnütziges Engagement sind die beiden Pfeiler, die ihren Werdegang prägen.
Mit dieser monatlichen Rubrik möchte sie einige spannende Personen aus ihrem Netzwerk in persönlichen Gesprächen fragen, wie und warum sie sich selbst im gemeinnützigen Bereich engagieren. Welche Ehrenämter werden zusätzlich zum Hauptamt gepflegt? Was treibt sie dazu an? Was bedeutet Engagement für sie und welche Learnings und Botschaften bringt das für sie mit?
Sibilla Pavenstedt führt ihr gleichnamiges Modelabel seit über 30 Jahren erfolgreich und bezeichnet ihren Modestil als subtile Provokation. Nachdem sich der Arbeitsmittelpunkt nach Hamburg verlagerte, gründete sie – parallel zum Modelabel – 2008 den Verein „Made auf Veddel“ zur Integration von Frauen mit Migrationshintergrund. Aus dem Verein ist inzwischen eine gemeinnützige Gesellschaft entstanden, die Textilien und Strickmode produziert. 2015 initiierte Sibilla Pavenstedt einen fast 300 Meter langen „Weltschal“, der am Hamburger Rathaus zum ersten Mal gezeigt wurde. Ende 2022 wurde Sibilla Pavenstedt mit dem Bundesverdienstkreuz für ihr soziales Engagement ausgezeichnet.
Liebe Frau Pavenstedt, ich möchte in dieser Rubrik jedem*r Interviewpartner*in die gleiche Einstiegsfrage stellen: Wann und wo haben Sie sich zum allerersten Mal ehrenamtlich engagiert? Wie kamen Sie dazu und was war Ihre Motivation dahinter?
Im Alter von 14 Jahren habe ich vietnamesischen „Boat-People“ Deutschunterricht gegeben. Darüber hinaus habe ich mich schon immer für die Rechte von Frauen und für die Gleichstellung aller Menschen eingesetzt. In meinen Ateliers habe ich von Beginn an Menschen aus allen Nationen, mit verschiedenen Religionen oder unterschiedlichster sexueller Orientierung beschäftigt. Schon immer habe ich das gelebt und Zeichen gesetzt.
Sie haben 2008 den Verein „Made auf Veddel“ gegründet. Auf der Webseite wird die Motivation dazu beschrieben: „Ihre Begeisterung für Kultur und Können der Frauen war Ausgangspunkt für die Idee, die Fähigkeiten der Frauen zu nutzen, diesen Fähigkeiten Respekt zu erweisen, die Weiterbildung der Frauen zu fördern und ihnen ein eigenes Einkommen zu ermöglichen.“ Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung gefragt, ob ich einen Beitrag dazu leisten könne. Die Ausstellung fand damals auf der Elbinsel, d.h. auf der Veddel und in Wilhelmsburg, statt. Da kam mir sofort die Idee, mit den Frauen vor Ort zu arbeiten und gemeinsam etwas aufzubauen, da ich ja schon lange Erfahrung mit unterschiedlichsten Herkünften hatte. Der renommierte Stadtplaner Dieter Läpple sagte vor kurzem in einem Interview: „Das nachhaltigste an der damaligen Bauausstellung sei für ihn Made auf Veddel“. Für Stadtteilplanung ist der gesellschaftliche Kitt sehr wichtig.
Was haben Sie seit der Gründung geschafft, was würden Sie gerne in den nächsten Jahren erreichen?
Wir haben mittlerweile eine gemeinnützige Gesellschaft gegründet und haben unser ganzes Unternehmen über die Jahre sehr professionell aufgestellt. Wir produzieren für Unternehmen wie „Closed“, „A Kind of Guise“, „AboutYou“ und viele junge Designer und Unternehmen. Alle Kolleg*innen konnten über die Arbeit bei Made auf Veddel ihr Leben verbessern. Das ist das, was mich zufrieden stellt. Wir haben aber noch viele Pläne, wir wollen noch viel mehr Personen beschäftigen und wachsen.
Was sind die wichtigsten Learnings? Haben Sie Downlights und Highlights, die Sie mit unseren Leser*innen teilen möchten?
Ein vergleichbares Projekt gab es zu dem Zeitpunkt der Gründung von Made auf Veddel noch nicht. Deswegen war es „learning by doing“. Zu Beginn gab es von allen Seiten viel Skepsis, da niemand glauben wollte, dass eine Couture-Designerin ernsthaft ein integratives Ausbildungs-Atelier in diesem Stadtteil eröffnen wollen würde. Anstatt das Unternehmerische dieses Projektes zu begrüßen, wurde es skeptisch hinterfragt, da es um hochpreisige Produkte geht, die von höchster Qualität und gutem Design sind und demzufolge auch ihren Preis haben. Was damals noch nicht verstanden wurde, ist die Tatsache, dass nur dies in Deutschland eine adäquate Bezahlung und Weiterbildung (Deutschkurs, Nähkurs, Strickkurs) ermöglicht.
Wie finanziert sich der Verein, welche Netzwerke und Kontakte waren und sind für Sie hilfreich, um die Vereinsarbeit umsetzen zu können?
Der Verein finanziert sich vor allem durch die Einnahmen, die wir selbst erarbeiten. Trotz allem sind wir weiterhin auf Spenden angewiesen und haben sehr viele an unserem Projekt interessierte Menschen, die uns und unsere Vision unterstützen.
Und zu guter Letzt: Was bedeutet für Sie Erfolg? Und haben Sie ein Erfolgsrezept, dass Sie in Ihrer Arbeit mit „Made auf Veddel“ umsetzen, auch im Umgang mit dem Team und mit Unterstützer*innen?
Der größte Erfolg ist es, so viele Frauen zu beschäftigen wie möglich, um gelungene Integration über gemeinsame Arbeit zu ermöglichen. Das, was sich alle zur Zeit wünschen ist, glückliche Facharbeiterinnen auszubilden.
Made auf Veddel ist gelebte Weltoffenheit auf der Basis unseres Grundgesetzes und unseren demokratischen Werten.
Und zum Schluss: Drei Antworten in je einem Satz!
Welches Buch haben Sie bzgl. Ehrenamt oder Engagement gelesen, das Sie nachhaltig beeindruckt hat?
Im Grunde gut – Rutger Bregman
Eine kurze Geschichte der Menschheit – Juval Noah Harari
Wenn Sie einen Wunsch für den gemeinnützigen Sektor frei hätten, welcher wäre das?
Uns ist es gelungen, in den letzten 15 Jahren durch unternehmerisches und soziales Handeln, Facharbeiterinnen auszubilden. Das ist genau das, was sich heute alle wünschen. Ein Konzept zu entwickeln, wie Integration und wirtschaftliche Weiterentwicklung auf Grund schon vorhandener handwerklicher Talente für Frauen möglich ist. Es wäre wunderbar, wenn dieses Konzept einen größeren Rahmen bekäme und auch in weiteren Städten verwirklicht werden könnte.
Was möchten Sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben? Was ist Ihr Credo?
Die Guten müssen stark sein!
Sibilla Pavenstedt
Gründerin
Made auf Veddel
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